Diesen Artikel zitieren wir mit freundlicher Genehmigung des St. Vinzenz-Haus, auf dessen Online-seiten er erschienen ist.
„Ich heiße Willi und Du?“
Handpuppen in der Arbeit mit Demenzkranken
„Ich bin sauer!“, energisch wendet sich Frau E. ab. Doch Willi lässt nicht locker und sucht weiter das Gespräch: „Warum bist Du sauer? Ich war heute Morgen auch sauer, weil ich hingefallen bin.“ Frau E. sieht ihn an und hört zu. Allmählich wird ihr Gesicht ganz weich und offen. Nun unterhält sie sich mit Willi - und sie lächelt sogar.
Es ist Rosenmontag und die Flure und Bereiche im Altenpflegeheim St. Vinzenz-Haus sind mit Girlanden und Ballons fröhlich bunt geschmückt. Viele Bewohnerinnen und Bewohner sitzen in den Aufenthaltsbereichen und verfolgen die Übertragung des Rosenmontagszuges im Fernsehen. Aus einem Radio erklingt Karnevalsmusik - mittendrin eine junge Frau im Blaumann, mit einem lustigen Hut auf dem Kopf und riesigen Clownsschuhen an den Füßen. Sie heißt Katja Krebs und hat ihre Handpuppen mitgebracht. Auf ihrer linken Hand steckt Willi! Während er den Kontakt zu den älteren Frauen sucht, hält sich Katja Krebs völlig zurück. Nur Willi spricht mit den Damen. Und die genießen die Aufmerksamkeit, hören ihm zu, antworten, lachen sogar und entspannen sich spürbar. Charmant macht Willi ihnen Komplimente, lobt hier den Hut und bewundert dort die neue Frisur. Er verteilt Handküsse, lässt sich knuddeln und streichelt zurück. Als er zu den anderen Bereichen aufbricht, winken die meisten ihm noch nach…
Der Besuch von Katja Krebs und ihren Puppen im St. Vinzenz-Haus ist keine Vorstellung eines Kasperle-Theaters. Hinter ihren Späßen und Spielen, die sie mit der Handpuppe Willi für, aber auch mit den Bewohnern macht, stecken richtig harte Arbeit und ein tiefer Sinn. Die von ihr speziell für die Arbeit mit demenzkranken Menschen entwickelte Komi-Methode setzt auf das Zusammenwirken und die Möglichkeiten von Kommunikation und Komik. Die dabei eingesetzten Handpuppen (sog. Kumquats) haben lustige Gesichter, sind sehr weich und laden zum Berühren ein. Sie wirken als Mittler zwischen Katja Krebs und ihrem jeweiligen Gesprächspartner und geben ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme. „Viele ältere Menschen sehnen sich nach Nähe. Sie genießen die Aufmerksamkeit der Puppen, überwinden ihre Scheu und Zurückhaltung und erzählen oft einfach so. Und wir erleben, wie gut ihnen das tut.“, schildert Katja Krebs ihre Erfahrungen.
Auf Einladung von Heimleiterin Petra Tuin stellt sie ihre Methode vor. Das St. Vinzenz-Haus will neue Wege gehen in der Betreuung demenzkranker Menschen - immerhin etwa 75 Prozent in der Einrichtung. Ihr Alltag und ihre Betreuung stellen für die Mitarbeiterinnen eine besondere Aufgabe und Herausforderung dar. Ebenso wie Therapeutic Touch (TT, therapeutisches Berühren) kann ihnen auch die Arbeit mit den Handpuppen ein weiteres, ergänzendes Hilfsmittel an die Hand geben, das Wohlbefinden der Demenzkranken zu verbessern und ihre Lebensqualität zu erhöhen. Erfahrungen in anderen Altenpflegeeinrichtungen zeigen, dass bestimmtes Verhalten wie Schreien und Symptome wie Unruhe und Reizbarkeit durch T T positiv beeinflusst werden können.
Die Behandlungsmethode Therapeutic Touch stammt aus den USA und wurde dort vor etwa 40 Jahren durch Prof. Dolores Krieger entwickelt - ursprünglich für die stationäre Pflege. Hier sollte mithilfe des Therapeutischen Berührens das Befinden und die Vitalität der Patienten verbessert werden. Inzwischen wird diese Methode weltweit in mehr als 100 Ländern gelehrt und eingesetzt.
Sylvia Rosskopf, Leiterin des Betreuungsteams, will bei ihrer täglichen Arbeit auch die Komi-Methode einsetzen: „Gerne werden wir solche alternativen Methoden im St. Vinzenz-Haus anwenden. In einem Workshop haben wir das TT kennen gelernt. Einige Mitarbeiterinnen werden die Ausbildung absolvieren. Auch zwei Handpuppen haben wir schon gekauft und werden ein Seminar besuchen. Der positive Effekt für unsere Bewohnerinnen und Bewohner ist offensichtlich.“